Campingzone
 

ostalgische Campinggeschichten


Rumänische Straßenbekanntschaften


Bei Cirtisoara beginnt die Transfagarasch - Straße , oder die DN7C, wie sie offiziell heißt. Diese umstrittene Schöpfung aus der Ceausescu - Ära überschreitet das Fagaras-Gebirge von Nord nach Süd und verbindet Transsilvanien mit der Walachei. Freunde hatten uns geraten, unbedingt diese Route durch Rumänien zu nehmen, wenn wir das Land wieder einmal bereisen sollten. So entschlossen wir uns, nicht den kurzen Weg über Arad und Timisoara Richtung Bulgarien zu fahren, sondern die Strecke über Sibiu (Herrmannstadt), die Transfagaras und Bukarest unter die Räder zu nehmen. An einem Flüsschen bei Cirtisoara (vermutlich sogar gleichen Namens - es kann aber auch der Olt gewesen sein) suchten wir nach einem freien Übernachtungsplatz. An den Uferauen sahen wir in der Ferne vereinzelte bunte Zeltbauten stehen, die uns ermutigten, hier ebenfalls zu nächtigen. Unser Klappzelt stand noch nicht lange, da bekamen wir auch schon Besuch von einigen Jungen, die uns "echte" Goldringe zum Kauf anboten. Wir lehnten freundlich ab, die Knaben zogen weiter. Kurze Zeit später kamen die vermutlichen Mütter mit dem gleichen Angebot, es folgten die erwachsenen männlichen Verkäufer. Niemand war böse, dass wir nicht handeln wollten, man ließ uns in Ruhe.

Danach hatten wir Zeit, die Gegend zu inspizieren. Hinter einer kleinen Hügelwelle grasten ein paar weiße, magere Pferdchen, im gebührenden Abstand hatten andere Zelter ihre Unterkunft aufgeschlagen, man winkte sich freundlich zu und konnte ungestört im sauberen Flüsschen baden (oder hinein plumpsen - wie unsrer Sohnemann). Was sollte es, die nassen Klamotten wurden zum Trocknen aufgehängt und allmählich kehrte die so geliebte Abendstimmung vor der Nachtruhe ein. Hatte uns zu Hause nicht jemand vor der Nähe kleiner weißer, magerer Pferdchen gewarnt? Vergessen!

Am nächsten Morgen wurden wir recht unsanft geweckt: Eine Kuhherde hatte sich um unsere Behausung versammelt und blieb nicht eben ruhig, einige dieser possierlichen Tierchen beäugten bereits den Vorbau unseres Klappzeltes von innen. Eilig suchten wir das Freie. Die meisten der Mitübernachter vom Vortag waren verschwunden. Vor uns stand ein grinsender Cowboy, der zunächst die Kühe zum Weitergang bewegte und uns dann freundlich zu verstehen gab, dass die Tiere eigentlich die Funktion eines nächtlichen Wachregiments übernommen hatten. Wir bedankten uns herzlich bei dem freundlichen Mann. Auch angesichts der vielen Kuhfladen ringsumher glaubten wir seinen Worten. Er zog weiter, fröhlich winkend, trotz der frühen Morgenstunde.

Wir packten unseren Krempel ein und wollten voller Vorfreude den Fagaras erklimmen. Bevor es jedoch losgehen konnte, mussten wir erst das nachbarliche Geschimpfe mit anhören, welches einer der letzten verbliebenen Übernachter veranstaltete. Ihm fehlten irgendwelche Sachen, nichts Wertvolles, aber nur ärgerlich zu Entbehrendes. Die weißen, mageren Pferdchen waren auch verschwunden. Jetzt erinnerten wir und wieder an die Warnung von zu Hause: Hatten nicht Zigeuner oft solche Pferdchen in ihrer Nähe? Keine Vorurteile! Wir können nichts beweisen. Aber wir begriffen, was der freundliche Kuhhirte meinte, als er vom Wachregiment seiner Kühe siebenbürgisch schwäbelte. Noch ein fröhlicher Plausch mit den Jungen, die heute "echte" Goldketten anboten, und unser Gespann kletterte die Transfagaras hinauf. Jeden, der sich dieses Erlebnis jemals hatte entgehen lassen, bedauern wir noch heute aus tiefstem Herzen. Für eine profane Beschreibung dieses Naturerlebnisses fehlen uns die Worte. Man bedenke, wir hatten bis dahin noch nicht einmal die Alpen zu Gesicht bekommen.

Selbst später, als wir auch dieses Hochgebirge endlich besuchen durften, blieben die überwältigenden Ersteindrücke der steilen Serpentinen, bizarren Felslandschaften und der tosenden romantischen Wasserfälle des Fagarasgebirges in seiner Wildheit in unauslöschlicher Erinnerung.

In 2200 Metern Höhe erreichten wir den damals noch im Bau befindlichen Tunnel, durch den die Straße auf der anderen Seite zum Lacu Vidraru, einem kleinen See, hinab führt. Vor dem Tunnel war erst einmal Schluss mit der Fahrt. Da er nur wenige Stunden am Tag wegen der Bauarbeiten zur Durchfahrt geöffnet wurde, hieß es warten, bis sich die Tore auftaten. Man nutzte die Gelegenheit, in den Bergen herumzuklettern und die Romantik der Landschaft zu genießen, den Bielea-See zu umrunden und einen Blick in die betreute Wanderbaude "Cabana Bilea" zu werfen. Gleichzeitig entkam man den Kindern, die selbst hier oben in der Einöde sich die Gelegenheit nicht entgehen ließen, nach "Gummi-Gummi, Bonbon, Zigaretti und Schokolad" zu fragen. Unsere Vorräte davon waren längst aufgebraucht und es tat einem in der Seele weh, immer nur mit dem Kopf schütteln zu müssen.

Irgendwann öffnete sich das hölzerne Tunnelportal, der Gegenverkehr rollte heraus und wir konnten die inzwischen sehnlichst erwartete Weiterfahrt antreten. Vorher mussten wir aber die im dürftig beleuchteten Tunnel tätigen Bauarbeiter passieren. Jeder zweite klopfte an die Autoscheibe und fragte nach Zigaretten. Schweren Raucherherzens zog ich meine vorletzte Packung "Juwel" - eine in der DDR sehr verbreitete Sorte bulgarischer Produktion - und reichte sie einem in einer Gruppe stehenden Arbeiter in der Hoffnung, er würde mit den anderen brüderlich teilen.

Aber denkste! Der junge Mann starrte auf die Schachtel, ließ irgendeine abfällige Bemerkung aus sich heraus und schmiss meine Zigaretten einfach in die nächste Drecklache. Ich konnte gerade noch verstehen, wie er das Wort "Kent" brüllte, dann hatten wir die freundlichen Leutchen passiert. Man wird verstehen, dass sich unser Gebermitleid nach diesem Ereignis fortan in engen Grenzen hielt.

Jenseits des Tunnels verflog der Ärger beim Anblick der sich in das Tal windenden Serpentinen unserer Straße. Ungefähr 600 Meter tiefer begrüßte uns die "Cabana Capra", in deren Umfeld einige Touristen ihre Übernachtungszelte aufgebaut hatten. Wir gesellten uns selbstverständlich dazu. Ein Schäfer mit seiner Herde zog durch die kleine Zeltstadt und erregte allgemeines Ärgernis, wegen der tierischen Hinterlassenschaften. Die Schäfchen wanderten ohne Furcht durch unser leicht aufgeklapptes Vorzelt, der alte Schäfer grinste uns an, wir grinsten zurück und vergaßen des Meckern. Am nächsten Morgen tummelten wir uns unter einem kleinen Wasserfall zwecks erfrischender Morgentoilette. Die meisten Mitnächtiger waren bereits zur Weiterfahrt aufgebrochen, einige Wanderer hatten ihre Zelte verlassen und kraxelten auf fernen Bergpfaden umher. Zurück vom Wasserfall, saß da unser alter Schäfer, hatte ein Tüchlein auf einem Stein ausgebreitet, darauf lagen Brot, Käse und ein riesiges Messer. Mit dem gleichen Grinsen wie am Vorabend lud er uns an seine prächtige Tafel.

Ein wenig schämten wir uns schon wegen der schlechten Gedanken, die wir nach dem Tunnelerlebnis mit den Zigaretten hatten. So saßen wir dann beisammen, sprachen kein Wort miteinander, gestikulierten ein wenig und lächelten. Danach trennten sich unsere Wege, er, seine Hunde und die vielen Schafe verschwanden auf den Bergalmen. Wir verschwanden die Transfagaras talabwärts in Richtung Bukarest und bulgarischer Grenze. Aber aus unseren Gedanken ist er selbst jetzt, nach so vielen Jahren nicht verschwunden. Gut so!


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Diese und andere Campinggeschichten können Sie in unserem Buch nachlesen.
Titelbild Buch Ostalgie-Camping - Camp-Erlebnisse in der DDR

unsere Seiten wurden letzmalig geändert am 04.11.2016

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