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Es war die Fast-Nachsaison des Sommers 2006, als wir im August / September die Adriaküste entlang bis in den Süden Apuliens reisten. Das Ende der Ferienzeit machte sich an fast leeren Campingplätzen einerseits und noch fast voll belegten Plätzen andererseits bemerkbar.
"Puglia" sagen die Italiener, "Apulien" der Rest der Welt, wenn sie die Landschaft des italienischen Stiefelabsatzes meinen. Wir hatten uns Camping Riva di Ugento an der salentinischen Küste des Ionischen Meeres als Fernziel ausgesucht. Die Fahrt über die Alpen, durch Oberitalien, hinüber nach Ancona und dann dem Küstenverlauf der Adria folgend, vorbei am Stiefelsporn, den Fährhafenstädten Bari und Brindisi und schließlich den Absatz hinunter bis ans "Ende der Welt" bzw. dem "Eingang ins Paradies" bei Marina di Leuca sollte ein traumhaftes Erlebnis werden. Immer wieder eröffneten sich neue phantastische Ausblicke auf das Adriatische Meer. Die in der Nachsaison wenig befahrene Küstenstraße schlängelt sich durch kleine Orte mit ihren klobigen Wehrtürmen, vorbei an endlosen Olivenhainen. An Apuliens nördlichen Sehenswürdigkeiten, der Trulli-Hauptstadt Alberobello und Friedrichs II. Castel del Monte fuhren wir vorbei - sicher ein Grund einmal wiederzukommen.
Apulien lädt ein zu einer Zeitreise in eine 200 000 jährige Geschichte, geprägt von Griechen, Römern, Arabern und Spaniern. Mittelalterliche Kirchen und Paläste, verschwenderisches Barock und Rokoko locken Geschichts- und Kunstinteressierte in die Städte. 800 Kilometer Küstenlinie mit weiten Sandstränden am Ionischen Meer, Klippen, Felsen und winzige Badebuchten entlang der Adria prägen Italiens unentdeckten tiefen Süden ohne Massentourismus und Bettenburgen.
Zurück ging es wegen der hinwärts erlebten Schönheiten auf fast gleichem Weg bis an den Gardasee. Dort legten wir noch einen einwöchigen Zwischenstopp ein, um diese zur Nachsaison nicht mehr überlaufene Traumlandschaft und ihre Städte zu genießen.
Unsere Reise begann mit einem Kurzaufenthalt im österreichischen Imst auf dem Campingpark Imst-West. Der schön gelegene Campingplatz im Ort ist eigentlich leicht zu finden, wenn man sich auf Navi oder Beifahrer orientierungsmäßig verlassen kann. Der Fahrer (österr.: Lenker) selbst hat mit der Beobachtung des kleinen Kreisverkehrs vor der Platzeinfahrt alle Augen voll zu tun und übersieht notgedrungen die vorhandene Wegweisung. Dafür entschädigen der anschließende Besuch des schönen Ortes und die herrliche Ruhe auf dem Campingplatz das von der Reise gestresste Nervensystem.
Auf der Weiterfahrt folgten wir zunächst der Autostrada und ließen uns irgendwo bei Trient leichtsinnigerweise verleiten, dieselbe zu verlassen und auf einer Staatsstraße mit dem Gespann über die Berge in Richtung Vicenza zu klettern. Eine enge, kurvenreiche Strecke zwang uns immer weiter bergauf. Hier oben gab es wahrhaftig einige kleine Ortschaften mit richtigen Menschen. Wir waren also trotz unendlich ansteigender Wegführung noch immer im Bereich der Zivilisation. In der Hoffnung, keinem größeren Gefährt im Gegenverkehr zu begegnen, alterten wir auf dieser Strecke unverhältnismäßig schnell. Irgendwann ging es wieder abwärts. Jetzt waren es plötzlich Massen rasender Bikefahrer, die uns kurvenschneidend entgegen kamen. Hin und wieder quietschte es hinter uns sturzverdächtig nach erfolgter Begegnung mit einem der Möchtegernartisten. Aber zum Umschauen blieb bei der Strecke einfach keine Zeit. Endlich tauchte ein Parkplatz auf, der vermutlich jedem hier entlang Kommenden wie eine Erlösung erscheinen musste.
Irgendwann erreichten wir wieder ein Stück Autobahn, dem wir bis Vicenza folgen konnten. Der dortige Stadtcampingplatz Camping Vicenza liegt unmittelbar neben der Mautstelle, deren Bereich man nicht verlassen sollte, sondern noch innerhalb desselben abbiegen muss. Doch woher sollten wir das wissen? Die riesige Aufschrift "Camping" am Zaun neben der Mautstelle deuteten wir als Werbebeschilderung und folgten der "normalen" Stadtausfahrt. Nach längerer Irrfahrt, die den vorher arg strapazierten Nervenkostümen mit Sicherheit nicht sonderlich gut bekam, landeten wir endlich vor einem Hotel, das am Straßenrand mit der ersehnten Campingplatzeinfahrt warb, welche aber erst nach einem ausführlichen Geländerundgang erkundet werden musste.
Der Platz lag links neben und hinter dem Hotelkomplex, ohne den geringsten Hinweis auf den Weg dorthin. Kein Wunder, dass sich auf dem eigentlich ansprechend angelegten Gelände kaum ein Camper befand. Ein riesiger Sanitärklotz aus Beton ließ eine undefinierbare Bunkermentalität während der abendlichen Toilette aufkommen. Im Inneren sah das Ganze schon besser aus. Man hatte immer den Eindruck, dass hier etwas Attraktives entstehen sollte, aber aus irgendwelchen Gründen als unvollendetes Monument allein gelassen worden war. Von der Stadt hatten wir während unserer anfänglichen Irrfahrt genug gesehen, weswegen wir uns ohne weitere Besichtigungstour am nächsten Tag weiter Richtung Süden bewegten.
Cupra Marittima hieß der Ort mit dem Campingplatz Camping Led Zeppelin. Wir dachten, in der Nebensaison sind die meisten Italiener bereits wieder zu Hause, die aber dachten anders. Zu unserer Überraschung war der nicht einmal besonders attraktive Platz rappelvoll. Wir erwischten gerade noch ein Plätzchen zwischen Strand und Bahnlinie mit unaufhörlich vorbei rasenden Zügen. Für eine Nacht sollte uns das nicht sonderlich stören. Der Strand war recht anmutig, was uns die Anwesenheit der Urlaubermassen erklärlich machte.
Jenseits der Eisenbahnlinie, die das Gelände parallel zum Strand zweiteilte, befanden sich die Sportanlagen, Rezeption und Restaurationen. Eine 3m hohe Unterführung verband beide Platzteile, eigentlich auch breit genug, entsprechend niedrige Gefährte passieren zu lassen. Wenn da nicht recht hohe Betonbürgersteige eingelassen worden wären. Der Durchfahrtrest war gerade noch breit genug, um mit dem Caravan durchzukommen. Doch, um zum Aus- und später Einfahren entsprechend ausholen zu können, war fahrerisches Schweißtreiben angesagt. Die vielen Schrammspuren an den Bordsteinkanten mahnten den Fahrer zu spät zur besonderen Vorsicht. Aber irgendwie waren sie alle wieder durch das Tunnelchen gekommen, so auch wir.
Weil es nach einigen Stunden Fahrt wieder einmal Zeit wurde, einen Übernachtungsplatz zu suchen, fanden wir mittels Navi bei Manfredonio Camping Ippocampo. An einem schönen Strand gelegen, empfing uns der proppenvolle Platz innerhalb eines Feriendorfes mit trostlosem Ambiente. Unübersichtliche Kies-Stellflächen ohne erkennbare Einteilung, lediglich anhand der E-Säulen zu erahnen, ließen sofort "Freude aufkommen". Unzählige verwahrloste Dauercampergefährte mit ihren zerfallenden Anbauten begrenzten die Touristenstellplätze. Sogar einen uralten Bastei-Caravan aus DDR-Zeiten, abenteuerlich aufgebockt, konnten wir entdecken. Warum um aller Welt macht man hier Urlaub? Die Antwort gab uns der schöne Badestrand. Hier kam südliches Flair auf und versöhnte sogar mit den vorsintflutlich anmutenden Toiletten. Wir flüchteten zum abendlichen Schmaus in die vor dem Platz angesiedelte Gastronomie und ließen uns die Stimmung aufbessern. Im Nachherein begriffen wir auch, warum dieser große und frequentierte Platz in unserem Campingplatzwegweiser nicht zu finden war.
Wir fuhren weiter entlang der Adriaküste mit herrlichen Aussichten auf das Meer, eine Traumstraße! Immer weiter trieb es uns den Stiefelabsatz hinab Richtung Süden. Zwischen Tomaten- und Getreidefeldern tauchten zerfallene Trullis auf - kleine, runde zipfelmützartige, mörtellose Steinhäuschen, die noch ihrer ursprünglichen Funktion dienten als Stall für Esel oder Ziegen und als Lagerraum. Es ging vorbei an jahrhundertealten Olivenhainen und die Landschaft prägende Rebenpflanzungen. Hier ereilte uns die Versuchung, vom geliebten Gerstensaft auf köstlichen Rotwein umzusteigen.
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Beim kleinen Fischerdorf Marina di Ugento, einst ein römisches Zentrum, heute ein Badeort mit wunderschönen Stränden, fanden wir Camping Riva di UgentoCampeggio Riva di Ugento. Der Riesenplatz mit seiner verwirrenden Urigkeit hat alles, was der Camper so braucht. Eine kuhlenkuschelige Düne trennt den herrlichen Sandstrand am supersauberen, im September noch wunderbar warmen Meer vom Campingplatz. In der Hochsaison soll hier kaum noch Platz zu bekommen sein. Wir kamen ohne Reservierung zur vermutlich angenehmsten Camperzeit auf einen mäßig gefüllten Platz und genossen Ruhe, Badefreuden und abendliche Sonnenuntergänge voller Zufriedenheit.
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Der Ort Ugento gibt wenig her, dafür ist die 20 km nördlich liegende "Schöne Stadt" - wie Gallipoli von den Griechen genannt wurde - umso attraktiver. Das heißt, wenn man sich durch die hässliche Neustadt zur Altstadt auf einer Insel durchgewuselt hat. Diese Perle des ionischen Meeres war Fischereihafen, Festung im Kampf gegen die Türken und Handelsstadt. Der Ort ist noch heute voll orientalischen Charmes. Zuerst erreicht man über eine Brückenkonstruktion den einst von den Venezianern umgebauten Hafen, der noch heute voller Leben ist. Vorbei an der gewaltigen Bastei geht es in die lebhaften Gässchen der Altstadt mit ihrer mächtigen Kathedrale im Zentrum. Historische Monumente, Künstlercafes, die alte Markthalle sind umrahmt von traumhaften Stränden und mehreren kleinen Hafenbecken voller bunter Fischer- und Freizeitboote. Wir legten noch eine zweite Besichtigungstour ein, so sehr begeisterte uns das Schmuckstück des Salento.
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Finis Terrae nannte die Römer den Stiefelabsatz: Ende der Welt. Hier am Kap Santa Maria di Finibus Terre ist die Welt zu Ende. Am höchsten Punkt des Kaps befinden sich die Wallfahrtskirche, die Basilika Minor und der Küstenwachturm dell´Omo Morto. Santa Maria di Leuca liegt mit seinem 47m hohen Leuchtturm zwischen zwei Meeren, nur 800 km von Afrika entfernt. Griechische Matrosen sahen die Felsen des Ortes im Sonnenlicht: "leukos" auf Griechisch bedeutet "weiß". Der Rest des Namens geht auf die Landung des Hl. Petrus zurück, der hier seine Mission begonnen haben soll, indem er die Stadt der Jungfrau Maria widmete. Man sagt, wer ins Paradies will, muss hier vorbei.
Angesichts der hellen ockerfarbenen Bauten unter strahlend blauem Himmel und der legendären Geschichtsträchtigkeit dieses wunderschönen Stücks Erde kann man verstehen, dass dieser Ort sich tief in unsere Erinnerungen festgesetzt hat.
Marina di Montenero di Bisáccia liegt nahe dem Stiefelsporn Italiens - wir sind wieder auf der Rückreise. Camping Molise: Ein schön angelegter Platz mit hässlichem Strand, fast menschenleer. Gaststätte geschlossen, Verkaufsstelle ebenfalls, und das trotz noch sommerlichem Wetters. Es muss am Strand liegen, zumal auch die Sanitäranlagen nicht gerade begeistern konnten.
Nur schnell wieder weg, weiter Richtung Norden.
Bei Torette di Fano checkten wir auf Camping Stella Maris ein. Der Platz ist nicht sonderlich schön, dafür aber der feinsandige Strand. Jetzt sind wir sicher: Die Italiener suchen schöne Strände, das restliche Ambiente ist nicht ausschlaggebend für einen Aufenthalt. Der Campingplatz war fast ausgebucht, alle Einrichtungen noch voll in Betrieb. Hier war wieder Leben und Krach - hauptsächlich wegen der am Platz sicht- und hörbar vorbeirasenden Züge.
Wir hatten noch eine Woche Zeit, um am Gardasee Halt zu machen. Am Südufer des Sees, nahe Pacengo, liegt Camping Le Palme. Im September waren alle Anlagen voll in Betrieb, der Platz noch gut, aber nicht überbelegt. Die ruhige, angenehme Atmosphäre gefiel uns. Allerdings wurde es am Wochenende lebhaft. Der auf italienischen Plätzen fast übliche Einfall einheimischer Großfamilien ereilte uns auch hier. Welches Fest die unzähligen Verwandten mit- und gegeneinander feierten, war nicht auszumachen, es dauerte aber nur ein Wochenende und die himmlische Ruhe kehrte wieder ein.
Da der Strand nicht sonderlich begeisterte, zogen wir es vor, die Gegend zu erkunden. Irgendwie ähneln sich die Orte einander. Sie sind alle sehr schön, romantisch und ganz auf Tourismus getrimmt. Wir sogen sie förmlich in uns auf, die wunderschöne Landschaft mit ihren malerischen Panoramen, den romantischen Gassen und lebhaften Piazza. Besonders gefiel es uns, vom gemütlichen Eis-Cafe aus das quirlige Leben zu beobachten oder an einem der Häfen zu verweilen und die Postkartenidylle auf uns wirken zu lassen.
Burgen und Stadtmauern aus der Zeit der Scaliger, Hafenanlagen und Palazzi der Venezianer, interessante kleine Kirchen und das nostalgische Flair einer uralten Vergangenheit, umgeben von mittelmeerländischer Vegetation in einem angenehm milden Klima lassen uns unsere Bummel durch Torri del Benaco, Lazise und Peschiera unvergessen bleiben.
Am Gardasee campen und die Hauptstadt der Provinz Verona nicht zu besuchen, wäre uns wie Geschichts- und Literaturschändung vorgekommen. Die Stadt Dietrichs von Bern aus dem Nibelungenlied, Residenz des Ostgoten Theoderichs, des Langobarden Alboins und der sich einst gegenseitig abmurksenden Scaligeris ist ein Juwel der europäischen Geschichte. Wir folgten deren Spuren, beginnend beim römischen Amphitheater, der berühmten Arena di Verona, zum riesigen Castelvecchio, vorbei an prächtigen Palazzi zu einem der schönsten Marktplätze Italiens, der Piazza delle Erbe, und landeten selbstverständlich am berühmten Balkon der Julia im fiktiven Anwesen der Familie Capulet. Wenige Gassen weiter entdeckten wir das fast vergessene Domizil der Montague-Familie Romeos. Hier wurden die unsterblichen Phantasiegestalten Shakespeares lebendig, obwohl es sie in Wirklichkeit nie gegeben hat.
Wir verließen Verona, den Gardasee und kletterten diesmal artig über den Brenner. Im österreichischen Söll legten wir noch einen letzten Stopp ein und genossen zum Abschluss einer wunderschönen, erlebnisreichen Campingreise die vorzügliche Küche des zum Campingplatz gehörenden Camping Franzlhof.
Auf dem nächtlichen Weg zum Wohnwagen traf uns noch ein kleiner Schreck zur Abendstunde: Ein spätankommender Caravaner - sichtlich übermüdet - rangierte sein Gefährt trotz jeder Menge freier Stellplätze uns gegenüber in ein enges Lückchen und stellte sich dabei derart beängstigend an, dass uns die Schockstarre ereilte. Der Mann schaute nicht, wohin er fuhr, er hatte es nur mit der ihm umgebenden Dunkelheit zu tun. Es fehlte nicht viel und er musste die Deichsel unseres Wagens rasieren. Da halfen kein Fuchteln und kein Schreien, er ruckelte sein Gespann blindlinks rückwärts und ohne Rücksicht auf Verluste und Parzelleneinteilungen durch die Gegend. Wie er trotzdem an unser und anderer Leute Fahrzeuge vorbeikam, wird sein Geheimnis bleiben. Kein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns, keine Ausrede oder Erklärung, nur ein müdes Gähnen war die Antwort auf unsere fragende Haltung. Ich hatte den Verdacht, der gute Mann gehörte zu jenen Zeitgenossen, die sich immer wieder damit brüsteten, die Strecke von Süditalien bis München in zwei Etappen zurückzulegen, wie es uns vor wenigen Tagen ein Caravaner kund tun musste.
unsere Seiten wurden letzmalig geändert am 04.11.2016